Auf der Straße der Vergessenheit (ost)
Wir wollen immer nur nach vorne sehen,
dem neuen Tag entgegen und dem Lichte,
jedoch der Lebensweg, auf dem wir gehen,
führt auch zurück ins Dunkel der Geschichte.
Ich ging den Weg in die Vergangenheit
auf der Strasse der Vergessenheit.
Napoleons Ruhm, Casanovas Schwur,
das gefrorene Lächeln der Pompadur,
von stolzen Hymnen der letzte Akkord,
von Caracciola ein Weltrekord.
Das Schmunzeln des Hauptmanns von Köpenick,
und Valentinos Verführerblick.
Die Stimme Carusos, ganz blechern und heiser,
die herrlichen Zeiten von Wilhelm, dem Kaiser,
vom Zeppelin ein zerrissenes Seil,
vom Reichsparteitag das letzte "Sieg Heil".
Kronen, die man gestern stolz getragen,
die sind nun Staub, zerfallen und zerschlagen,
stumme Zeugen der Vergänglichkeit
auf der Strasse der Vergessenheit.
In fünfzig Jahren mag wohl einer gehen
und sucht Vergessenes der Geschichte wieder,
der wird dann unsre Träume liegen sehen,
die grossen Worte und die lauten Lieder.
Was heute zählt ist dann Vergangenheit
auf der Strasse der Vergessenheit.
Satchmos Trompete, Marlenes Beine,
dort vom Mond die ersten Steine,
von Hilde Knef ein Gruss aus Berlin,
das Yeah-Yeah der Beatles zum Orden der Queen,
ein Stück Brot für die Welt in erstarrter Hand,
ein Traum von Europa, das nie entstand,
die Linke von Cassius, ein Tor von Pelé,
meine Einsamkeit, mein Kamillentee,
mein Publikum, das begeistert schrie,
"Lieb Vaterland", "Merci Chérie"...
Glanz und Ruhm, zu dem wir heute beten,
werden zu Staub, vergessen und zertreten -
stumme Zeugen der Vergänglichkeit
auf der Strasse der Vergessenheit.